Der beste Martini-Grundstoff kommt aus Mallorca
In Llucmajor steht ein Deutscher am Brennkessel und sorgt mit ausgefallenen Kreationen dafür, dass „Gin Eva“ es auf die obersten Listenplätze beim World Gin Award 2019 schaffte. Stefan Winterling destilliert so ziemlich alles, was bei Drei nicht vom Baum ist und wünscht sich, dass man Gin nicht nur trinkt, sondern auch darüber redet.
„Wir sitzen in der Bronx von Llucmajor“, beschreibt Stefan Winterling den Weg zu seiner Brennerei im Industriegebiet. So gefällt es ihm, ein bisschen Understatement, ein bisschen Underdog. Bei dem 37-Jährigen bilden die jungenhafte Ausstrahlung und sein Auftreten als gestandener Brennmeister keinen Widerspruch. Die große Schürze vor dem Bauch, die Arme in ständiger Bewegung, geht er in der „Garagenbrennerei“ (O-Ton Winterling) umher und erzählt über sein Lieblingsthema. „Ich gehe ins Bett und denke an Schnaps, ich stehe auf und denke an Schnaps.“ Im gleichen Atemzug zum Glück auch an seine Frau, denn nach ihr ist die Marke „Gin Eva“ benannt.
Experimente in der „Garagenbrennerei“
Im Inneren der Blechhalle duftet es fruchtig-scharf. Ein Wandregal voller Flaschen bildet die Kulisse für den Präsentiertisch, an dem er seine Schnäpse zur Verkostung freigibt. In dickbauchigen Glasballons sind Experimente angesetzt. „Man muss alles mal probieren“, behauptet Stefan und zählt an den Fingern auf, was er schon destilliert hat: Tomaten, Gurken, Johannisbrotschoten, Stangensellerie. „Das war allerdings ein Reinfall. Alles Grüne schmeckt hinterher wie zerkochter Spinat.“ Aus seiner ungehemmten Experimentierfreude erwuchs der Erfolg des Jahres. Beim World Gin Award 2019 bekamen gleich zwei Kreationen aus dem Hause „Gin Eva“ eine Auszeichnung: Als Bester Contemporary Gin Spaniens und – Tusch! – als World’s Best Signature Botanical Gin. „Bei dem steht die Olive geschmacklich im Vordergrund, das ist weltweit einmalig“, erklärt Stefan.
La Mallorquina geht runter wie Öl
Das Erfolgskonzept war mit der Lernphase verbunden, nicht alles, was sich pflücken lässt, unter den Gin zu mischen. „Bei 30 Zutaten schmecktman sowieso nichts mehr raus.“ Übrig blieben ganz minimalistisch Zitrusfrüchte für den klassischen Gin Eva und Olive als Beigabe für den „La Mallorquina“. Der Name ist der traditionellen mallorquinischen Olivensorte entlehnt, die Stefan von der Finca Son Moragues in Valldemossabezieht. Die Bäume auf den Terrassen mit Meerblick sind zwischen 200 und 700 Jahre alt. Ihre Früchte geben dem Oliven-Gin die weiche, würzige Note. Ein Schluck davon läuft tatsächlich runter wie Öl. „Trotzdem ist der zitruslastige Gin allgemein beliebter“, weiß Stefan von befreundeten Barmixern. Die gesamte Cocktaillandschaft hat vom Gin-Hype der vergangenen Jahre profitiert, die Barkarten wurden ausführlicher und anspruchsvoller. Zufrieden ist Stefan damit noch nicht. „Ich wünschte mir, dass sich so eine Trinkkultur wie beim Wein auch für den Gin entwickeln würde. Probieren, sich darüber unterhalten – und nicht nur ins Glas kippen.“
Zitronenschalen im Brennkessel
Während er spricht, taucht Stefan seinen Finger in einen der blauen Bottiche und kostet. In den Plastiktonnen schwimmen Zitronenschalen in Alkohol, um ihnen die ätherischen Öle zu entlocken. Ist das Aroma intensiv genug, wird gebrannt. Stefan kippt das Mazerat aus Alkohol und Schalen in den Brennkessel. Beim Gin wird kein Alkohol erzeugt, sondern veredelt. „Gin ist aromatisierter Wodka“, bringt Stefan es auf den Punkt. Temperatur und Druck steigen im Kessel und endlich fließt ein dünner Strahl aus der Tülle. Allerdings ist der Vorlauf noch unbrauchbar, milchig vom Zitrusöl, das den Gin trüb machen würde. Wieder stippt Stefan seinen Finger ein. „Leichte Klebstoffnote“, kommentiert er und kippt den Aufguss weg. Erst jetzt kommt das Herzstück aus dem Kessel. Fast eine Stunde lang fließt in einem klaren Strom das kostbare Destillat. Während Stefan nun weiter erzählt, hält er beiläufig immer mal wieder seinen Finger unter den Strahl, um die Qualität zu kontrollieren. Bis irgendwann das Aroma nachlässt („Kompottnote“) und der Alkoholgehalt schwächelt. Dann stellt er auf Nachlauf um, der ebenfalls im Abfluss verschwinden wird.
Im zweiten Durchlauf kommt dann der Wacholderaufguss in den Kupferkessel. „Wir mazerieren und destillieren beides separat, weil wir frische Zutaten verwenden“, erklärt Stefan den doppelten Arbeitsaufwand. Erst ganz zum Schluss wird alles im richtigen Verhältnis gemischt. Den Verschnitt erledigt Stefan „us de lameng“, wie er im schönsten pfälzischen Dialekt zugibt. „Bei mir passiert nichts mit der Grammwage, das liegt nicht so in meiner Natur“, grinst er. Der fertige Gin muss mindestens ein bis zwei Monate reifen, damit sich die Aromen entfalten. „Die Moleküle werden ja beim Destillieren auseinander gerissen und müssen sich erst wieder finden.“ Stefan erklärt jeden Schritt so, dass ambitionierte Laien mit ihrem Wissen später beim Smalltalk über Gin glänzen können.
Die Macher
Eva Maier Gómez und Stefan Winterling sind sich vor zwölf Jahren beim Weinbau-Studium in Geisenheim begegnet – „ein echtes Erasmus-Paar“, der Deutsche und die Spanierin. Auf Mallorca haben sie seit 2008 für zwei Weingüter gearbeitet bis sie sich selbstständig machten. Ihr Basislager ist inzwischen in Barcelona, wo Eva für die Administration der Firma und der zwei Kinder zuständig ist. Stefan managed vier Tage die Woche die Brennerei in Llucmajor. Sein Assistent Llorenç Bennasar, ein studierter Philosoph mit Passion für Cocktails und Destillate, ist die ganze Woche über vor Ort und führt Besucher genau so kenntnisreich durch die Geschmackswelt von Gin Eva wie der Chef.
Zaubertränke entstehen erst an der Bar
Was nutzt der beste Gin, wenn er nicht in einen grandiosen Cocktail verwandelt wird? Sergio Toffoli, Kult-Barman in Palma, hat sich von Gin Eva zu einer epischen Cocktailkarte für das Hotel Gloria Sant Jaumeinspirieren lassen. „Die Drinks sind nach den sieben Sünden konzipiert und jeder hat seine eigene Geschichte.“ Der Neid heißt bei ihm ‚Almost Dirty‘, in Anlehnung an den Dirty Martini der verflossenen Cocktail-Ära von Frank Sinatra und Dean Martin. „Neid, weil ich da gern dabei gewesen wäre.“ Die Idee zur Völlerei kam ihm angesichts des Rituals, dass zu jedem Drink Erdnüsse genascht werden. „Also mixe ich den ‚Gloria & Eva‘ gleich mit einer Peanut-Gin-Fusion.“
Der lange Weg von der Wacholderbeere bis zu den fantasievollen Cocktails ist den meisten Genießern kaum bewusst. Aber warum soll es nicht demnächst auch Gin-Clubs geben, in denen gefachsimpelt wird über den fruchtigen oder öligen Abgang des wandelbaren Schnapses? Bei Wein geht es doch auch und der nächste Trend wartet bekanntlich gleich um die Ecke.
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Wo: Gin Eva, Llucmajor, C/ Marroig 6A
Wann: Besuchszeiten und Verkostung Montag bis Freitag 10:00-16:00 Uhr
Im Netz: https://www.casa-eva.com/
Tipp
Gin aus dem eigenen Garten
Wer aus den Zitronen und Orangen seiner Finca mal etwas anderes als Limonade machen möchte, kann bei Stefan Winterling seinen persönlichen Gin brennen lassen. Bei jedem Schritt darf man zuschauen, das Rezept mit dem Brennmeister zusammen kreieren. Der Aufwand lohnt sich ab 100 Flaschen.
Rezepte für Gin-Cocktails
(Gemixt von Sergio Toffoli, Barmann im Hotel “Gloria Sant Jaume” in Palma)
Gloria & Eva (Gin sour)
- 10 ml flüssiger Zuckersirup
- 20 ml frischer Zitronensaft
- 10 ml Apfelsaft
- 50 ml mit gerösteten Erdnüssen infusionierter Gin
- Eischnee
Die Zutaten im Shaker mixen, in ein hohes Glas geben, mit Eischnee auffüllen, Angostura als Dekoration auf den Rand sprühen.
Almost dirty (Martini style)
- 10 ml Fino Sherry
- 60 ml Gin Eva La Mallorquina
- 2 Oliven (Extra: gefüllt mit Zitronencreme)
- Orangenschale
Zutaten im Shaker verrühren, in ein Martini-Glas füllen, Orangenschale über dem Drink kurz anbrennen für das Extra-Aroma, Spießer mit zwei Oliven zur Garnierung
Fotos: © Hector Laza, Marcos Gittis
Ersterscheinung des Textes in El Aviso 5/2019
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